Sonntag, 29. März 2015

mit meiner Gasttante in der Silkstreet

Vorgestern ist mein Paket aus Deutschland angekommen, gefüllt mit allerlei Weihnachtsleckereien. Darunter nicht nur Weihnachtsgeschenke für mich, sondern auch für meine Schwester. Meine Schwester hat sich sehr gefreut, genauso wie ich, denn ich hatte endlich wieder deutsche Schokolade! Doch meine Gastmutter wusste genau, wie sie diesen heiligen Moment ruinieren kann:
Sie meinte nämlich, dass meine Gastschwester und ich auf unserem Sessel morteens sofa jetzt ganz viel und hart lernen müssen (als würden wir nicht schon genug Zeit vor unseren Schreibtischen verbringen), um uns dankbar zu zeigen und damit wir uns das Geschenk auch verdienen. Dank dieser netten Ansprache habe ich dann auch glatt ein schlechtes Gewissen bekommen, dass ich gerade nicht vorm Schreibtisch sitze, denn um diese Uhrzeit machte ich ja normalerweise Hausaufgaben.
Und da wurde mir klar, die ganzen Chinesen lernen nicht für sich selbst, sondern für ihre Eltern, die oft Lowboard Roomscape esstisch holen! Die werden so von ihren Eltern unter Druck gesetzt, dass sie sich schlecht fühlen, wenn sie einmal Spaß in ihrem, von Schule dominierten, Leben haben. Als Schüler hier in China kriegt man von allen Seiten, seien es Lehrer oder Eltern, nur zu hören wie wichtig die Schule ist und dass man seine Jugend nutzen soll, um so viel wie möglich zu lernen.
Ich und mein schlechtes Gewissen sind darauf wieder in mein Zimmer gegangen. Wir wollten uns gerade an unseren Schreibtisch setzten, als mein Telefon klingelte. Meine deutsche Mutter war dran. Nachdem sie mit mir gesprochen hat sie mich weitergegeben an meinen lieben Cousin Dennis. Er hat mich gefragt, was ich so mache, darauf habe ich mit meinem Standartsatz „Ich muss für die Uni Graz lernen“ geantwortet.
Dann hat er folgendes gesagt: „Man muss seine Jungend genießen und nicht nur für die Schule lernen!“ Und er hat so Recht! Meine Güte, wie konnte ich unsere freie europäische Philosophie bloß vergessen?! Man soll sein Leben genießen, denn es ist kurz! Was nicht heißt, dass man nicht lernen soll, doch eine gesunde Mischung aus A und B macht’s. Danke Dennis von der Uni Bonn, du hast mich von meinem schlechten Gewissen befreit!
Gestern war ich mit meiner Gasttante in der Silkstreet. Dieses Kaufhaus ist berühmt für perfekt gefälschte, billige Markenklamotten. Meine erste Errungenschaft war ein kompletter Trainingsanzug von Adidas aus dieser Saison für 100 RMB (ungefähr 10€). Zunächst wollte die kleine chinesische Verkäuferin 350 RMB und Lowboard Loftscape esstisch haben. Ich, dumme Europäerin, habe natürlich sofort „Ja, nehm ich!“ geschrien, denn 35€ für einen Adidasanzug sind ja Nichts, hab ich mir so gedacht.
Doch, Gott sei Dank, hat meine Tante den Dreh mit dem Handeln voll raus. Sie hat mir nicht nur den Adidasanzug bis aufs Minimalste runtergehandelt, sondern auch einen Mantel von Dolce und Gabbana. Für den Mantel wollte die Verkäuferin erst dreiste 1500 RMB haben. Hallo?! Wovon träumt die nachts?!